Biblische Prioritäten

Autor

Peter Engler

Kategorie

Magazin Ausgabe

3 / 2019

Eine „Priorität“ ist ein Vorrang, den man einer Sache oder einer Person einräumt. Wir haben im Alltag viele davon: Der Beruf hat Vorrang vor privaten Aktivitäten. Die Familie hat Vorrang vor anderen Leuten. Die Gemeinde hat Vorrang vor Hobbys und Vereinen. Auch für Gott gibt es Dinge, die ihm wichtiger sind als andere. Hier einige davon:

1. Bekehrung vor Dienst

Gal. 2,16: „Doch weil wir wissen, dass der Mensch durch Werke des Gesetzes nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, sind auch wir zum Glauben an Christus Jesus gekommen, damit wir gerecht werden durch den Glauben an Christus und nicht durch Werke des Gesetzes; denn durch Werke des Gesetzes wird kein Mensch gerecht.“
Da kam bei einer Evangelisation beim Aufruf zur Entscheidung für Jesus eine 80-jährige Diakonisse nach vorne. Ihr war klar geworden, dass sie Jesus noch nie richtig in ihr Leben aufgenommen hatte. Und dass man Gott nicht wirklich dienen kann, solange man noch nicht sein Eigentum ist. Dass wir ihm wirklich gehören, ist wichtiger als das, was wir für ihn tun können. Darum ist dies vielleicht die wichtigste Priorität von allen. So bekehrte sie sich und empfing neues Leben aus Gott.
Darum: Bevor du Gott in Wahrheit dienen kannst, möchte er erst sehen, dass du an seinen Sohn glaubst. Das hat für ihn absolute Priorität. Denn ohne echte Bekehrung ist dein Dienst für Gott nichts wert. Bist du bekehrt und wiedergeboren?

2. Der Herr vor den Menschen

2. Kor. 8,3–5: „Denn nach Kräften, das bezeuge ich, und sogar über ihre Kräfte haben sie willig gegeben und haben uns mit vielem Zureden gebeten, dass sie mithelfen dürften an der Wohltat und der Gemeinschaft des Dienstes für die Heiligen; und das nicht nur, wie wir hofften, sondern sie gaben sich selbst, zuerst dem Herrn und danach uns, nach dem Willen Gottes.“
Als Christ gehöre ich in erster Linie dem Herrn, und erst in zweiter Linie den Menschen. Zuerst kommt meine Beziehung zu Jesus, und dann mein Dienst für Gott in der Gemeinde und in der Welt. Das klingt vielleicht egoistisch, aber in Wahrheit ist es wahrscheinlich das eigentliche Geheimnis jeden fruchtbaren Dienstes. Denn wenn unsere Beziehung zu Jesus nicht oder nicht mehr stimmt, wird auch unser Dienst für die Menschen an Wirksamkeit einbüßen.
Darum: Ist dir, der du ein bekehrter Christ bist und echt zu Jesus gehörst, das noch ein Anliegen – der morgendliche oder wenigstens regelmäßige, tägliche Treffpunkt mit deinem Herrn? Freust du dich auf das Lesen der Bibel und auf die Begegnung mit Gott im Gebet?
Der deutsche Pfarrer Ernst Modersohn hat einmal dazu geschrieben: „Die Waffen müssen geputzt, geölt und geladen werden, bevor man in den Krieg zieht. Abends, wenn die Schlacht vorbei ist, hat’s wenig Sinn.“ Und: „Beten ist Zeitgewinn und Kraftersparnis.“ Probier’s aus!

ZUERST KOMMT MEINE BEZIEHUNG ZU JESUS, UND DANN MEIN DIENST FÜR GOTT IN DER GEMEINDE UND IN DER WELT.

3. Treue vor Erfolg

1. Kor. 4,2: „Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie für treu befunden werden.“
Wir leben in einer Welt, in der geschäftlicher Erfolg und Geld verdienen der oberste Maßstab allen Handelns ist. Und unbewusst oder bewusst haben wir manchmal diese Philosophie auch auf die christliche Gemeinde übertragen.
Wenn man aber bedenkt, dass in manchen Missionsgebieten dieser Welt Missionare manchmal Jahrzehnte gearbeitet und den Samen des Evangeliums ausgestreut haben, und nur wenige oder gar keine Bekehrten sahen, dann kommt man ins Nachdenken über diese Philosophie.
Der Erfolg ist ein Geschenk, und er ist Gottes Sache. Aber selbst wenn sich äußerlich kein oder kein großer Erfolg einstellt, muss eine Arbeit für Gott nicht vergebens gewesen sein.
Nach menschlichen Maßstäben war der Dienst Jesu auf Erden ein totaler Fehlschlag. Das Unternehmen endete am Kreuz, und bis dahin konnte man vordergründig sagen: Das war alles völlig umsonst! Dennoch war er in Gottes Augen außerordentlich erfolgreich!
Darum fahre auch du fort in deinem Dienst für Gott – im Beruf, oder in der Gemeinde. Und überlass’ es dem Herrn, was am Schluss herauskommt. Und vielleicht wirst du dann eines Tages die überraschende Entdeckung machen, dass Jesus dir sagen wird: „Gut gemacht! Du hast getan, was du konntest, du warst treu in deinem Dienst, und du hast Frucht gebracht, soweit es möglich war – das genügt mir!“

4. Die Gemeinde vor der Welt

Gal. 6,10: „Darum, solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen.“
Für jeden von uns ist es klar, dass seine eigenen Familienangehörigen einen gewissen Vorrang haben vor allen anderen Leuten. Kein Familienvater käme auf den Einfall, zu sagen: „Ich muss erst dafür sorgen, dass die Nachbarskinder genug zu essen haben; danach will ich mich auch um meine eigenen Kinder kümmern.“ Ein Vater, der so redete, würde zurecht als nicht ganz normal angesehen.
Aber was in den natürlichen Zusammenhängen gilt, das gilt eben auch in den geistlichen: Christen sind Kinder des Vaters und gehören zur Familie Gottes – da ist es doch nur natürlich, wenn wir nach den eigenen Familienmitgliedern zuerst schauen! Freilich wäre es falsch, wenn sich unsere Wohltätigkeit nur auf die Gemeinde Gottes beschränkte. Aber zu dieser Fehlhaltung fordert uns Paulus ja nicht auf. „Lasst uns Gutes tun an jedermann“, sagt er. Aber die Gläubigen kommen zuerst.

5. Mission vor Diakonie

Mt. 28,18–20: „Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“

Immer wieder hört man, es sei ein Kennzeichen aller wachsenden Gemeinden, dass Evangelisation und Mission bei ihnen den Vorrang haben vor allem anderen. Die Mitglieder solcher Gemeinden sind stets bemüht, den Menschen auf die eine oder andere Art und Weise das Evangelium zu verkündigen. Sie sind erfinderisch und phantasiereich im Weitergeben der Guten Nachricht. Und sie lassen sich dabei auch durch Rückschläge nicht entmutigen, sondern lernen aus Fehlern und versuchen, es beim nächsten Anlauf besser zu machen.

„WIR WAREN RUND UM DIE UHR TÄTIG FÜR ANDERE MENSCHEN, ABER WIR WAREN UNSEREM AUFTRAG UNGEHORSAM.“

Dieser Grundsatz ist natürlich längst ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Liberale Theologen versuchen schon lange, uns klarzumachen, dass soziales Handeln weitaus wichtiger sei als irgendwelche Bekehrungsversuche. Oder sie stellen es zumindest gleichberechtigt neben die Mission. Das Argument dafür ist einleuchtend: Wo echte körperliche oder materielle Not vorhanden ist, dürfen wir nicht zuerst mit dem Evangelium kommen. In vielen Fällen muss erst einmal die Voraussetzung dafür geschaffen werden, dass die Leute überhaupt zuhören können.
Aber ich habe nie vergessen, was der verstorbene Missionsdirektor Bruno Herm von der Deutschen Missionsgemeinschaft einmal mit Tränen in den Augen bei einem Jahresfest erzählte: Wie er in Pakistan als Missionar arbeitete, und wie er und andere dort ein Krankenhaus aufbauten und sich völlig in der medizinischen Arbeit verloren. „Wir waren rund um die Uhr tätig für andere Menschen, aber wir waren unserem Auftrag ungehorsam“, sagte er.
Das ist die große Gefahr der beschriebenen Art von Theologie: Dass der Missionsauftrag unseres Herrn allmählich außer Sichtweite gerät.

6. Balken vor Splitter

Mt. 7,3–5: „Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge? Oder wie kannst du sagen zu deinem Bruder: Halt, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen?, und siehe, ein Balken ist in deinem Auge. Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; danach sieh zu, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst.“
Ich glaube, es war Oswald Chambers, der zu diesem Bibelabschnitt einmal geschrieben hat: „Jedes Mal, wenn wir einen Splitter im Auge unseres Bruders sehen, befindet sich ein Balken in unserem Auge.“
Das ist eine sehr ernste Angelegenheit. Es ist schon so: Wir richten einander oft schnell. Wir wissen meist schnell, was am andern nicht gut und richtig ist. Und in einer Hinsicht ist es ja auch gut, dass Gott uns die Fähigkeit gegeben hat, am andern wahrzunehmen, was nicht stimmt: So wird Korrektur möglich. Aber die große Frage lautet immer: Haben wir nur ein Auge für die Fehler der anderen oder auch eines für die unseren?
Es ist demütigend, wenn wir uns mit unseren Balken beschäftigen müssen, aber es ist der einzige Weg, um die Berechtigung zu erlangen, die Splitter bei den Brüdern und Schwestern zu ziehen.

7. Herz vor Äußerem

1. Sam. 16,6–7: „Als sie nun kamen, sah er den Eliab an und dachte: Fürwahr, da steht vor dem Herrn sein Gesalbter. Aber der Herr sprach zu Samuel: Sieh nicht an sein Aussehen und seinen hohen Wuchs; ich habe ihn verworfen. Denn nicht sieht der Herr auf das, worauf ein Mensch sieht. Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an.“
Sogar große Leute können sich also irren – siehe Samuel. Der dachte sogar als Gottesmann ganz in weltlichen Kategorien. Bis zu diesem Zeitpunkt in Isais Haus hatte er Gottes großes Prinzip noch nicht begriffen: Der Herr schaut immer zuerst nach innen, das Äußere ist ihm gar nicht so wichtig.

WO WIR NUR EINEN VERBRECHER SEHEN, SIEHT GOTT VIELLEICHT SCHON EINEN NEUEN CHRISTEN!

Er fragt zuerst nach unserer Herzenshaltung und -einstellung zu ihm, und ist nicht beeindruckt oder erschreckt von gewaltigem oder mickrigem Äußeren. Es interessiert ihn auch nicht so stark, wie schön oder hässlich jemand ist, und was der Betreffende vor den Augen der Menschen tut oder darstellt. Nein, er betreibt Herzenserforschung und Motivanalyse. Das ist seine Art und seine Arbeit!
Und obwohl ich selbst weiß, wie hart das in gewissen Zusammenhängen sein kann, gerade auch in der Gemeinde: Mancher sieht von außen vielleicht ganz wüst und hoffnungslos aus, aber im Innern gärt es in Richtung Bekehrung. Darum muss man trotz allem vorsichtig sein: Wo wir nur einen Verbrecher sehen, sieht Gott vielleicht schon einen neuen Christen!
So erkennen wir aus der Heiligen Schrift sehr klar die Prioritäten Gottes. Ob wir sie auch zu unseren machen werden?